Österreichischer Film
„Die Fälscher“, der neue Film des österreichischen Regisseurs Stefan Ruzowitzky, hat den Oscar (academy award) für den besten nicht-englischsprachigen Film 2008 gewonnen. Damit ist nach „Das Leben der Anderen“ (2007) zum zweiten Mal in Folge ein deutschsprachiger Film ausgezeichnet worden. Eine erfreuliche Nachricht für Filmfans und Studenten der deutschen Sprache!
Allerdings – na ja, nach dem Stasidrama ein KZ-Drama. Schon wieder düstere Vergangenheit und Schuld.
Doch: der Film IST sehenswert (ob er den Oscar verdient hat, weiß ich nicht), wegen einiger Eigenschaften, die ihn von vielen Holocaust-Filmen, und es gibt endlos viele, unterscheiden.
Da ist zunächst die Hauptfigur, gewöhnlich die Identifikationsfigur, mit der der Zuschauer mitfühlt und mitleidet oder aus deren Perspektive erzählt wird. „Die Fälscher“ erschwert diese Identifikation, denn die zentrale Figur ist ein berufsmäßiger Betrüger, Spieler und Meisterfälscher, ein Gauner und Opportunist, der durchaus unsympathische Seiten hat. Eine clevere Strategie, um billige Sentimentalisierung zu vermeiden.
Dieser zwiespältige Kriminelle namens Sorowitsch lebt ein sehr luxuriöses Leben, das er mit selbstproduziertem Falschgeld und dem Verkauf gefälschter Pässe und Visa finanziert, bis er wegen nicht ganz perfekter Geldscheine in Berlin erwischt wird. Er kommt als sogenannter Berufskrimineller ins KZ Mauthausen. Dort geht er an der harten Arbeit im Steinbruch fast zugrunde, bis er auf die Idee kommt, die SS Leute zu malen und dafür Privilegien erhält. Später wird er ins KZ Sachsenhausen verlegt, gewöhnlich ein sicheres Todesurteil, für Sorowitsch aber die Chance einige Zeit zu überleben. Er wird vom Leiter der Geldfälschungsabteilung, dem SS-Mann Herzog erkannt, und zu einer Gruppe hauptsächlich jüdischer Drucker, Zeichner, Maler und Bankangestellter verlegt. Deren Aufgabe ist es, für die Nazis Unmengen von Pfund- und Dollarnoten herzustellen, mit denen sie die Währung der Gegner destabilisieren, deren Wirtschaft in die Inflation treiben und die eigenen Kriegskosten bezahlen wollen.
Zwei strikt vom restlichen Lager getrennte Baracken dienen als Fälscherwerkstatt. Die mehr als hundert Fälscher leben innerhalb des KZs in einer Art Luxus, sie bekommen regelmäßig zu essen, haben sanitäre Anlagen, Seife, ordentliche Betten mit Bettwäsche und Operettenmusik (ob das ein Privileg ist?) bei der Arbeit. Aus den Baracken der außerhalb liegenden Lagerteile hört man dagegen ständig Hundegebell, Schüsse, Exekutionen.
Die aus verschiedenen Lagern zusammengeführten Geldfälscher-Häftlinge scheinen also Glück im Unglück zu haben, zumindest solange ihr Auftrag nicht erledigt ist. Denn dass sie ermordet werden, sobald die Nazis genug Geld haben, ist allen klar.
Das Problem ist, dass die Häftlinge mit dem Falschgeld den Nazis helfen, den Krieg und das Leiden anderer Menschen zu verlängern. Der slowakische Jude, Buchdrucker und kommunistische Ideologe Adolf Burger (auf dessen Lebenserinnerungen „Des Teufels Werkstatt“ dieser Film basiert) entschließt sich daher zur Sabotage. Das geht gegen die Absicht von Sorowitsch, der um jeden Preis überleben möchte: „Lieber morgen als heute erschossen werden.“ Er ist der Ansicht, dass Sabotage unter diesen Bedingungen Selbstmord sei und eine Gefahr für die ganze Gruppe.
Burger gelingt es immer wieder, die perfekte Arbeit von Sorowitsch durch seine Manipulationen an der Maschine zu zerstören. Der SS-Mann Herzog, der weiß, dass der Krieg nicht mehr lange dauern kann und der die Dollarnoten weniger für die Nazis als für seinen eigenen Bedarf auf der Flucht in die Schweiz möchte, beginnt die Geduld zu verlieren. Er droht mit Erschießungen. Da gelingt Sorowitsch heimlich die perfekte Dollarnote. Er rettet damit die Gruppe, die Fälscher überleben den Krieg.
Politische Überzeugung steht gegen Überlebenswillen. Darf man seine Seele verkaufen, um sein Leben zu retten? Der Regisseur lässt klugerweise die Frage offen. Er vermeidet auch die in Holocaustfilmen häufige Illusion, dass der einzelne in der Lage ist, sein Glück selbst zu beeinflussen, der Überlebende also etwas „richtig“ gemacht hat.
Ungewöhnlich für einen KZ-Film ist die Erzählperspektive aus der Sicht der priviligierten Häftlinge. Bei der Befreiung des KZs halten die übrigen KZ-Häftlinge die gut genährten und gekleideten Fälscher sogar für SS-Leute und bedrohen sie. Nur die KZ-Nummer am Handgelenk rettet ihnen das Leben.
„Die Fälscher“ zeigt die Nazis nicht nur als Mörder und Totschläger, was hinreichend bekannt ist, sondern als kriminelle Gauner, die gefälscht und betrogen und andere dazu benutzt haben. Insgesamt 8,6 Millionen Pfundnoten im Wert von 134,6 Millionen Pfund Sterling wurden im KZ Sachsenhausen gefälscht, das entspricht ca. 13 Prozent aller im Umlauf befindlichen Pfundnoten zu dieser Zeit. Nach dem Krieg musste die Bank of England alle 50 Pfund-Noten einziehen und durch neue Scheine ersetzen.
Uff, der Text ist ziemlich lang geworden. Zum Problem Holocaust im realistischen Spielfilm schreibe ich besser ein anderes Mal.
Wer mehr zur Geldpolitik der Nazis wissen möchte, dem empfehle ich „Hitlers Volksstaat“ von Götz Aly. (ISA)
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